Impulse
Hier finden Sie wertvolle Artikel für ein sinnerfüllendes Dasein in Liebe. Zusätzlich können Sie kostenlos Meditationstexte zu Lebensthemen downloaden.
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Was uns wirklich wichtig ist, erfahren wir, wenn der Stress nachlässt und wir in liebender Gegenwart leben.
Einer der bekanntesten Sätze, wenn es um „Lebensweisheiten“ geht, stammt aus dem Buch „Der Kleine Prinz“ von Antoine de Saint-Exupéry. Dort sagt der (weise) Fuchs zum Prinzen: „Man sieht nur mit dem Herzen gut, das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.“
Dass Antoine de Saint-Exupéry selbst an seinem „inneren Herzen“ gelitten hat - er war schwer depressiv - und das kleine Büchlein mitten im Zweiten Weltkrieg, nur zwei Jahre vor seinem Tod als Pilot eines Aufklärungsflugzeugs, geschrieben hat, ist weniger bekannt. Aber gerade durch diese biografischen Details bekommt für mich dieser Satz seine ganze literarische Würde und seinen Tiefgang.
Der Alltag vieler Menschen heute ist überschwemmt von Erfahrungen, die vorbeirauschen. Hier denke ich besonders an Familien, die versuchen, alles unter einen Hut zu bringen: die Arbeiten der Eltern, die Aufgaben und Freizeitaktivitäten der Kinder, das Einkaufen, Familienzeit... Und ich denke an Menschen, die Angehörige pflegen und rund um die Uhr eingespannt sind. Bei so viel alltäglicher Erfahrungsdichte ist es schwer, den Überblick zu bewahren: Was von all dem hat für mich welche Bedeutung? Was davon gehört nicht nur sachlich betrachtet, sondern sollte in Ruhe und mit allen Gefühlen, die es auslöst, im Herzen aufgenommen werden? Was davon ist für eine gute Zukunft wirklich entscheidend?
Für andere wiederum ist der Alltag mühselig erfahrungslos und eintönig. Hier denke ich zum Beispiel an Menschen, die einsam sind und wenig Sozialkontakte haben. Bei diesen Menschen erlebe ich, dass sie in ihrer eigenen Geschichte oft nach Bedeutungen suchen: Warum dies oder jenes so gekommen ist; wie es damals war... Auch das kann Stress auslösen, selbst wenn es - oberflächlich von außen betrachtet - gar keinen zeitlichen Stress gibt.
Was uns in unserem Leben wirklich wichtig ist, das sehen wir manchmal erst, wenn das Herz die Ruhe hat, sich den Erfahrungen der Gegenwart oder der Vergangenheit zu widmen. Oder andererseits: Wenn uns die Umstände dazu zwingen, nicht mehr nur zu funktionieren; wenn plötzlich klar ist, dass es so nicht weitergeht. Sowohl in der Ruhe, im Runterkommen - zum Beispiel am Strand liegend oder qualitative Spielzeit mit den Kindern zu haben - als auch im Drängen des Herzens ist es gut, das, „was das Herz sieht“, mit anderen teilen zu können.
Ich erinnere mich gut an einen Bankmanager und Familienvater, der strahlend aus dem Urlaub zurückkam und mir erzählte, wie schön es war, nicht nur mit den Kindern wandern zu gehen, sondern auch mit seiner Partnerin viele ungestörte, offene Gespräche zu führen. Für mich war es damals, es ist schon viele Jahre her, so, dass hier zwar der gleiche Mensch wie vorher stand, aber doch auch ein ganz anderer.
Das Leben zu teilen bedeutet eben nicht nur, dass wir anderen erzählen, was gerade los ist. Oder dass wir uns im selben Raum aufhalten. Das Leben zu teilen meint auch, einander mitzuteilen: Was bedeutet das für mich? In einer liebenden Gegenwart von anderen Menschen fällt es uns oft leichter, „mit dem Herzen zu sehen“.
Andere Menschen, die es gut mit uns meinen, können uns helfen, unser Herz zu öffnen für das, was wirklich zählt. Diese gemeinsame Suche nach dem, was das Leben trägt, gehört zu den intensivsten Momenten; Momente, nach denen sich Menschen meiner Erfahrung nach sehnen.
In der liebenden Gegenwart zu leben ist für uns als religiöse Gemeinschaft ein Grundmotiv: zum einen für uns selbst, zum anderen für andere. Früher habe ich, wenn ich gefragt wurde, was denn „altkatholisch“ bedeutet, die Punkte runtergespult: Gleichstellung aller Menschen, kein Pflichtzölibat, kein Papst, Demokratie...
Heute ist es für mich anders. Heute beginne ich gerne über Werte zu sprechen: „Wir sind eine Werte-Gemeinschaft.“ Denn der Wert unserer Gemeinschaft liegt, das erfahren wir bei uns in der Heilandskirche ja fast täglich, nicht darin, dass wir ein Programm abspulen und Aktionen starten. Und ganz sicher wiederholen wir in unserer Gemeinschaft nicht fast schon besinnungslos (ohne Sinngehalt) irgendwelche Dogmen oder „Weil-es-immer-schon-so-war-Glaubenssätze“.
Der Wert unserer Gemeinschaft liegt im Bewusstsein, dass wir in liebender Gegenwart leben möchten. Sicherlich umfasst diese liebende Gegenwart die Mitmenschen. Da sind alle frei, miteinander so Leben zu teilen, wie es persönlich für einen passt: alle können entscheiden, „wie viel Gemeinschaft“ sie hier leben möchten.
Die liebende Gegenwart erfahren wir aber auch in Momenten der vollkommenen Stille oder in Ritualen, die die gemeinschaftliche Suche, was Leben bedeutet, zum Ausdruck bringen. Hier denke ich an diese Kraft, die viele empfinden, wenn wir schweigend um den Altar im Kreis stehen. Alle gemeinsam. Manchmal schließe ich da auch kurz die Augen und lasse mich als Pfarrer und Mensch dieser Gemeinschaft fallen. Nicht nur einmal sind in diesen Momenten Tränen geflossen. Und dort, wo Tränen fließen, da spricht unverwechselbar das Herz.
Nicht nur einmal haben wir es erlebt, dass Menschen vorher und nachher zwar die gleichen Menschen und doch ganz andere waren. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine WERT-volle sommerliche Zeit, ob Sie unterwegs sind oder zu Hause bleiben, ob Sie arbeiten oder Urlaub haben: Ich wünsche Ihnen, dass diese Momente, in denen das Leben an Ihr Herz klopft, nicht an Ihnen vorbeirauschen und Sie beides erfahren: Menschen an Ihrer Seite, mit denen Sie Leben teilen können. Und die Erfahrung von Gottes Gegenwart, die Liebe ist und in der das Leben - egal, welchen Wellengang es gerade hat - geborgen ist.
Pfarrer Hannes Dämon