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Barmherzigkeit - Jahresmotto 2021/2022

Selbstliebe

Barmherzigkeit beginnt zuerst beim Umgang mit sich selbst. Denn für viele ist leichter, anderen zu verzeihen, als sich selbst mit Fehlern auf liebevolle Weise zu begegnen.

Dass im liebevollen Umgang mit Schwächen, Fehlern, Fehleinschätzung, Missverständnissen und strukturellen Mängeln ein positiver Wandel möglich ist, wissen wir aus sozial-psychologischen Forschungen.

Die christliche Mystik hat diesen Aspekt der Barmherzigkeit immer schon betont und heutige Studien im Ergebnis vorweggenommen. Unbarmherzig gegen sich selbst und andere zu sein, kann unter anderem Ausdruck einer inneren Unstimmigkeit und einer „Selbstüberhöhung“ sein, einem Drang nach Perfektionismus würden wir heute sagen. Barmherzigkeit kann dann bedeuten: trotz aller Widersprüche, die Menschen ebenso in sich tragen wie das Leben überhaupt widersprüchlich ist, das Gute nicht aus den Augen zu verlieren.


Nicht zu allem "Ja und Amen!" sagen!


Zwei kritische Anmerkungen zum Bibelvers im Titelbild:

1. „Barmherzigkeit“ bedeutet nicht, zu allem „Ja und Amen“ zu sagen. 

Kritik zu üben, Auseinandersetzungen mit einem klaren Standpunkt auszutragen und eben nicht zu „kuschen“ sind in manchen Situationen geradezu Gebote, notwendig, um die Not zu wenden. Manchmal fordern es der (Selbst-)Respekt, die Menschenrechte, ein Gerechtigkeitssinn, gesicherte Erkenntnisse oder schlichtweg die eigene Vision eines geglückten Lebens geradezu ein, „Klartext“ zu sprechen.

Barmherzigkeit meint: dann, wenn Versöhnung ansteht, wenn es darum geht, gemeinsam wieder nach vorne zu blicken, eben nicht hartherzig zu verharren und im Streit zu verweilen, sondern den Schritt nach innen zu sich (wenn wir „außer uns sind“) und nach vorne zu den anderen zu gehen.

Für mich zählt hier Jesu Wort ganz besonders: „Wem aber wenig vergeben wird, der liebt wenig“ (Lukas-Evangelium, Kapitel 7,  Vers 47).

2. Wenn in diesem Bibelvers vom „Vater im Himmel“ die Rede ist, dann sei betont, dass Gott weder männlich noch weiblich ist. 

Gott hat kein Geschlecht. Und Barmherzigkeit ist auch keine Eigenschaft, die „typisch weiblich“ oder überhaupt „typisch“ für eine bestimmte Personengruppe ist. 


Barmherzigkeit im Alltag

Barmherzigkeit müssen viele zur Zeit wohl vor allem im eigenen Umfeld einüben: Zum Beispiel, wenn Eltern mit den irren Mehrfach-Belastungen nicht mehr wissen, wo ihnen der Kopf steht. Wenn Menschen unter Druck stehen, kommen sowohl die hilfreichen, wie die weniger hilfreichen Eigenschaften möglicherweise deutlicher hervor. 

Manche Eltern oder Paare verzweifeln auch deshalb, weil sie meinen, nur sie würden mit der Situation nicht zurechtkommen, aber bei anderen Eltern oder in anderen Beziehungen wäre alles nahezu perfekt. Mag sein, dass es so von Eltern oder Partnerschaften nach außen transportiert wird, aber der Innenblick zeigt oft auch die weniger sonnigen Seiten des Alltags.


Verbundenheit in Christus

Mit unserem neuen Jahresmotto: „Seid barmherzig, wie auch euer Vater im Himmel barmherzig ist“ verbinden wir uns mit vielen, vor allem evangelischen Christinnen und Christen. Denn diese Jahreslosung wird zahlreiche christliche Gemeinden in Europa durch die nächsten Monate begleiten.

Das Bild zu unserem Jahresmotto hat - wie in den vergangenen Jahren auch - eine Dame aus unserer Kirchengemeinde gezaubert. Herzlichen Dank dafür! Wir lassen dieses Motiv in unterschiedlichen Versionen als Lesezeichen und Klappkarten drucken. Diese liegen dann zur freien Entnahme in unserer Kirche auf. Gerne senden wir Ihnen auch welche zu.


Ausblick auf Ostern

Wenn jetzt Ostern vor der Tür steht, wird es noch einmal anders deutlich, was zum Leben führt: Jesus ist nicht dem Tod überlassen. Sein Herz ist so weit geworden in den Begegnungen mit Menschen, dass es der Tod nicht mehr umklammern konnte.

Zum Zeitpunkt, da ich diese Zeilen schreibe, ist noch nicht klar, wie wir heuer Ostern werden feiern können: in der Kirche oder wegen Ausgangssperren von zu Hause aus. Bitte nützen Sie die Möglichkeiten, die wir mit unserem Video-Raum geschaffen haben: Über Zoom von zu Hause aus mitzufeiern. Alle Uhrzeiten bleiben gleich.

Und wie immer gilt: Wenn Sie denken, dass ich Ihnen hilfreich sein kann oder Sie ein persönliches Gespräch mit mir wünschen - ich bin jedenfalls für Sie da. Vielleicht nicht perfekt - aber sicher verständnisvoll. 

Gesegnete Ostern! Herzliche Grüße!

Ihr dankbarer Pfarrer Hannes Dämon