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Oster - immer die alte Leier?

Wie wir zu einem Gottesbild finden, das uns nicht von außen aufgesagt wird. Und warum das neue Gottesbild unserer Seele guttut. Ein Bekenntnis.

Ich habe einen kleinen Test für Sie. Dieser Test besteht aus nur einer einzigen Frage: Wie kann es sein, dass Jesus gestorben ist und dann den Jüngern auf dem Weg von Jerusalem nach Emmaus erscheint?

All jene, die jetzt mit „Auferstehung“ antworten, sind wahrscheinlich gut und recht im „christlichen Glauben“ erzogen worden. Aber ganz ehrlich: Was bedeutet das? Werden wir vielleicht auch einmal so herumgehen, wenn wir gestorben sind? Und warum eigentlich nicht? Warum erscheint Jesus nicht heute genauso?

Wenn wir uns nur ein paar dieser Fragen als mündige Christ:innen stellen, kommen wir, schneller als wir „Amen“ sagen können, in ein Wirrwarr an überlieferten Glaubenssätzen, die alle zwei Dinge gemeinsam haben: Sie wirken erstaunlich lebensfremd und sie sind uns von außen gesagt worden, ohne dass wir mit unseren Sinnen, unserer Erfahrung eine innere Einsicht erlangen können.

Vielleicht sagen jetzt manche unter uns: „Das ist eben der Glaube - wir glauben, was andere uns gesagt haben und was wir nicht sehen können.“ Ich spreche ganz offen: Das erscheint mir doch ein recht abgehobener, wirkungsloser und für mich in letzter Konsequenz bedeutungsloser Glaube zu sein.

Im Zentrum steht, so kommt es mir vor, ein recht eigenartiges Gottesbild; ein Gottesbild, das sich über die Jahrhunderte des Christentums zieht und noch heute in manchen Gebetsbüchern zu finden ist. Solange wir „Gott“ als eine Person verstehen, mit der wir als Menschen in Beziehung stehen können, die aber doch ganz anders ist - solange werden wir vermutlich beim kleinen Test zu Beginn dieses Artikels irgendwie „scheitern“. Das ist in meinen Augen ein gutes, ein notwendiges „Scheitern“.

Im gesamten Blick auf die Botschaften des Neuen Testaments, wenn ich alles „unterm Strich“ betrachte, dann brauche ich keinen „Vater-Gott“, keinen „Herr-Gott“, keinen „lieben Gott“. Das, was Jesus verkündet hat, wofür er eingetreten ist, womit er Berge versetzt und die Herrschenden entsetzt hat; das, was ihm das höchste Gut war, ist auch das, was uns Menschen zu Menschen macht: die Fähigkeit zu lieben.

Kurzum: Jesu Gott ist Liebe - so deute ich die Überlieferung des Neuen Testaments. „Gott ist Liebe“ (vgl. 1 Joh 4,8) ist mehr als ein Prinzip („die umfassende Liebe“), mehr als eine Idee („die Urliebe“) und sicher kein gedankliches Konstrukt („Projektion der menschlichen Bedürfnisse“). Für Jesus ist „Gott ist Liebe“ so konkret, so greifbar, dass es auch die Menschen um ihn herum begreifen konnten und die Wirkungen unübersehbar waren.

Wir sind so eng mit „Gott, ist Liebe“ verbunden, weil wir hoffentlich Menschen im wahrsten Sinn des Wortes sind; weil wir hoffentlich lieben können. Dann kann man kaum noch von einem „wir hier“ - „Gott dort“ sprechen (vgl. 1 Kor 6,19). Wenn sich unser Gottesbild zu einem „Liebe und lieben“ wandelt, dann wird es schnell sehr persönlich. Denn wie anders können wir von „Gott ist Liebe“ sprechen, als von unseren eigenen Erfahrungen, Hoffnungen, Enttäuschungen? Und von Erfahrungen, Hoffnungen und Enttäuschungen von Menschen, mit denen wir in Verbindung stehen?

Aus dieser Perspektive wird jede biblische Erzählung ebenso zu einer Erfahrung, zu einer Hoffnung, zu einer Enttäuschung, die wir aufnehmen und integrieren können. Diese Integration von allem, was ist und was uns begegnet ist, und die Reflexion in „Gott ist Liebe“ werden unserer Seele gut tun. Das sind dann keine frommen Sprüche und keine Dogmen wider aller Vernunft.

Diese Integration gibt uns die Möglichkeit zu erfahren, immer und überall getragen und bejaht zu sein. Dann können wir uns tatsächlich „als Ebenbild Gottes“ (vgl. Gen 1,27) erfahren. Allein dieses Erkennen kann Berge versetzen (vgl. Mt 17,20) und versteinerte Herzen lebendig machen (vgl. Ez  36,26).

Manchmal ist dies alleine gar nicht mehr möglich. Durch schlechte, vielleicht sogar traumatische Erfahrungen hat sich der Tod des Glaubens an die Fähigkeit zu lieben oder an die Möglichkeit, bedingungslos geliebt zu werden, vielleicht schon weit in unserem Herzen ausgebreitet. Dann ist es gut, füreinander da zu sein - auch im Gebet.

Gebet ist in meiner Überzeugung kein simples Hinaufsteigen von Worten in eine Sphäre, die wir nicht kennen, ein Loslassen ins Ungewisse - Gebet ist die Verbindung, von dem, was wir an Wesentlichem in unserem Leben haben und tragen, mit dem, was immer schon ist, war, sein wird: „Gott ist Liebe.“ In uns. In anderen. Über uns. Über anderen. Unter uns. Unter anderen.

Wie groß diese Kraft sein kann, wie unkonventionell und unbedingt und undogmatisch und unbändig - das habe ich schon oft in meinem Leben gesehen. Ich bekenne: Hätte ich mich nicht auf die Suche gemacht, die überlieferten Glaubenssätze kritisch zu hinterfragen und Jesu Botschaft mit meinem Leben zu verbinden, dann wäre jede einzelne Predigt eine Qual für mich, jedes Wort würde an einen inneren Betrug grenzen, jede Stunde in meiner seelsorglichen Tätigkeit wäre für mich persönlich eine verlorene Zeit.

Zurück zur Frage vom Anfang dieses Artikels. Wie kann es sein, dass Jesus gestorben ist und dann den Jüngern auf dem Weg von Jerusalem nach Emmaus erscheint? Ich habe diese Frage unseren Erstabendmahl-Kindern gestellt. Es entspann sich eine lebendige Diskussion mit vielen Ideen. In keine dieser Ideen habe ich mich eingemischt. Kein „Das darfst du nicht sagen“ und „Das darfst du nicht glauben“.

Ein Kind etwa meinte, dass sich „Jesus aus einem anderen Universum hergebeamt“ haben könnte. Am Überzeugendsten war für die Kinder, was ein Mädchen sehr betont und sehr philosophisch sagte: „Gott ist Liebe in unseren Herzen. Und mit dieser Liebe kann ich alles sehen.“

So ist es vielleicht mit der „Auferstehung“. Die Liebe kann niemals verloren gehen. Wir können sie immer sehen. Solange wir leben, lebt sie auch in uns, und wenn wir sterben, werden andere Menschen Zeugnis von „Gott die Liebe“ geben. Und auch dann wieder wie Jesus: recht konkret, damit es die Menschen begreifen können. Hoffentlich. Aus meinem monolithischen Gottesbild meiner jungen Jahre hat sich ein dynamisches, vielseitiges, buntes, lebendiges „Gott ist Liebe“ entwickelt.

Ich hoffe, mit den Blumen im Titelbild kann ich Ihnen dies auch symbolisch vermitteln. Und mit diesen Blumen wünsche ich Ihnen frohe, gesegnete Ostern - heute, dann am traditionellen Festtag und vor allem auch in jeder Begegnung - egal zu welcher Jahreszeit.

Pfarrer Hannes Dämon